Das Bundesverfassungsgericht hat seinen Beschluss zur Akkreditierung von Studiengängen vom 17. Februar 2016 am 18. März 2016 veröffentlicht.

Hintergrund des Beschlusses des Gerichts war, dass bereits vor mehreren Jahren eine private Hochschule gegen Auflagen geklagt hat, die eine deutsche Akkreditierungsagentur (nicht AQAS) erteilt hatte. Das dafür zuständige Verwaltungsgericht Arnsberg (NRW) hat mit Beschluss vom 16. April 2010 ein Verfahren zur konkreten Normenkontrolle angestrengt. Gegenstand dieses Verfahrens waren landesrechtliche Regelungen zur Akkreditierung von Studiengängen.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2016 beschlossen, dass die Regelungen über die Akkreditierung von Studiengängen des Landes Nordrhein-Westfalen, wonach Studiengänge durch Agenturen „nach den geltenden Regelungen“ akkreditiert werden müssen, mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, weil der Gesetzgeber wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung von Studiengängen nicht anderen Akteuren überlassen darf. Der Landesgesetzgeber hat verfassungskonforme Regelungen mit Wirkung spätestens vom 1. Januar 2018 an zu treffen.

Da es in den letzten Tagen Nachfragen von Akteuren des Hochschulbereichs bei AQAS gegeben hat, möchte AQAS folgende Punkte klarstellen:

  1. Die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts richten sich nicht gegen das Akkreditierungssystem per se. Es wird festgestellt, dass das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit den Vorgaben zur Qualitätssicherung von Studienangeboten nicht grundsätzlich entgegensteht. Aber die Regelung im Hochschulgesetz NRW, dass „nach den geltenden Regelungen“ zu akkreditieren sei, ist zu unbestimmt. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest: „In § 72 Abs. 2 Satz 6 HG NRW a. F. fehlen jedoch hinreichende gesetzgeberische Entscheidungen zu den Bewertungskriterien, den Verfahren und der Organisation der Akkreditierung.“
    Daher wird das Land NRW seine gesetzlichen Grundlagen für die Akkreditierung bis spätestens Ende des Jahres 2017 neu formulieren müssen. Bis dahin gelten alle Vorgaben und Regeln des deutschen Akkreditierungssystems für die Hochschulen unverändert.

  2. Das Bundesverfassungsgericht kommt in einigen Punkten, die die Rolle des Akkreditierungsrates und der Akkreditierungsagenturen betreffen, zu Einschätzungen, die von AQAS so nicht geteilt werden:

    a) „Der Akkreditierungsrat als das zentrale Organ der Stiftung erlässt, ohne dass dies im Gesetz näher konkretisiert ist, die wesentlichen Regeln für die Akkreditierung von Studiengängen. Er akkreditiert oder reakkreditiert auch die Akkreditierungsagenturen, die wiederum eigene Vorgaben für Akkreditierungen entwickeln.“

    Kommentar von AQAS: Es gibt ein Stiftungsgesetz, in dem Aufgaben und Rolle des Akkreditierungsrates festgelegt sind. Das Hochschulgesetz NRW regelt in § 7, dass die Akkreditierung durch die Akkreditierungsagenturen erfolgt, auf deren Rechtsstellung sie in § 7a verweist. Die Agenturen sind demnach i. S. v. § 2 Abs. 1 Nummer 1 des Stiftungsgesetzes durch eigene Akkreditierung berechtigt, Studiengänge durch Verleihung des Siegels des Akkreditierungsrates akkreditieren zu können. Die Agenturen entwickeln gerade keine eigenen Vorgaben für die Akkreditierung, sondern agieren auf Basis der Vorgaben der Kultusministerkonferenz, die wiederum die Grundlage für die Regeln des Akkreditierungsrates bilden.

    b) „Die Agenturen machen zudem Vorgaben zur prozentualen Zusammensetzung der Inhalte von Lehrplänen, zu den Studien- und Prüfungsordnungen und sprechen Empfehlungen zur Benennung von Studienschwerpunkten und Modulen aus. Damit erfasst die Akkreditierung unmittelbar Form und Inhalt wissenschaftlicher Lehre.“

    Kommentar von AQAS: Es ist bereits seit vielen Jahren für die Gremien von AQAS vollkommen unstrittig, dass eine Agentur keine Aussagen zu prozentualen Verteilungen von Studieninhalten macht. Auch gibt es von Seiten unserer Akkreditierungskommission keine Vorgaben zu Studien- und Prüfungsordnungen oder zur Benennung von Studienschwerpunkten und Modulen, es sei denn, dass eine fachnahe Gutachtergruppe feststellt, dass die im Studiengang verwendeten Bezeichnungen signifikant falsch und somit irreführend für die Studierenden sind.

  3. AQAS begrüßt, dass das Bundesverfassungsgericht auch einige Aspekte klarstellt, die für die zukünftige Arbeit und das Verständnis des Akkreditierungssystems hilfreich sind:
    „Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit steht Vorgaben, die einen ordnungsgemäßen Lehrbetrieb mit einem transparenten Prüfungssystem sicherstellen, nicht entgegen. Allerdings bedürfen die mit der Qualitätssicherung verbundenen Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage.“
    „Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber insoweit frei, der Hochschullehre eine externe Qualitätssicherung vorzugeben. Diese Qualitätssicherung der wissenschaftlichen Lehre muss auch nicht auf wissenschaftlich-fachliche Kriterien beschränkt sein, sondern kann die Studienorganisation, die Studienanforderungen und den Studienerfolg bewerten.“
Links
  • Bundesverfassungsgericht: Wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung von Studiengängen muss der Gesetzgeber selbst treffen Pressebericht besuchen
  • Akkreditierungsrat: Auswirkungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes
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